Das Wort Gottes breitete sich aus (Apostelgeschichte 12,1-11)
Gottesdienst am 20.09.2015 in Brombach

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,
bei einer Tagung in Fürth schlenderten wir durch die Altstadt. Fasziniert war ich von der Fülle der Blumenkübel, die vor den Häusern und in Höfen üppig blühten. Das, so dachte ich, könnte ich doch auch bei mir umsetzen. Ich kaufte also ein paar vielversprechende Pflanzen, füllte Erde aus dem Schnellkomposter in einen Blumenkübel und hegte und pflegte diese Pflanzen nun ein paar Wochen lang. Doch wollten sie sich nicht so recht entwickeln. Sie hatten beste Erde, genug Wasser und reichlich Sonne, aber ich hatte es wohl ein bisschen zu gut mit ihnen gemeint, die Erde war nicht durchlässig genug, sie fing an zu faulen. Kurz vor dem Urlaub stand ich vor der Entscheidung, meine neue Kreation zu entsorgen oder die nun kümmerlichen Pflänzchen in das normale Blumenbeet zu setzen, in bockelharte Erde, weil es seit Wochen nicht ordentlich geregnet hatte. Einen Versuch war es wert. Wie war ich nach drei Wochen erstaunt, blühende Pflanzen vorzufinden, die nur ab und zu Wasser bekommen hatten, aber sich in der mageren Erde offensichtlich pudelwohl fühlten. Sie hatten sich bestens erholt. 

Es gibt offensichtlich ein Zuviel an Pflege, zu viel Dünger, zu viel Wasser, zu viel Fürsorge. Ist das auf Gemeinden übertragbar? Stellen wir uns eine Gemeinde als Pflanztrog vor. Wir wollen beste Bedingungen zum Wachsen schaffen. Wir lesen regelmäßig die Bibel, tauschen uns darüber aus, wir haben intensive Beziehungen zueinander, sorgen füreinander, wenn jemand in Not ist. Wachsen wir dadurch besser als wenn wir in Notzeiten wären?

Die erste Gemeinde in Jerusalem, von den Jüngern Jesu gegründet und betreut, ging gerade durch große Turbulenzen. Der Verfasser der Apostelgeschichte resümiert am Ende des Kapitels: „Das Wort Gottes wuchs und breitete sich aus.“ Welche Faktoren bestimmen das Wachsen einer Gemeinde? 

Apostelgeschichte 12,1-2

Um diese Zeit ließ König Herodes verschiedene Mitglieder der Gemeinde von Jerusalem festnehmen und schwer misshandeln. Jakobus, den Bruder von Johannes, ließ er enthaupten.

Jakobus stammte aus dem ehemaligen Jüngerkreis Jesu, ihn ließ Herodes enthaupten. Die Stimmung war nach der Steinigung des ersten Märtyrers Stephanus gekippt. Christen wurden verfolgt, vor allem die Einflussreichen versuchte Herodes auszuschalten. So war die Enthauptung sinnbildlich für seinen Versuch, der Jesusbewegung den Kopf zu nehmen.

Für die Gemeinde war das ein harter Schlag. Jakobus hatte Jesus selbst kennengelernt, er hatte von ihm selbst den Auftrag zur Mission erhalten. Er war Pfingsten hautnah dabei, als der Heilige Geist den Jüngern geschenkt wurde. Und nun war er tot. Menschlich gesehen schien die Gemeinde am Ende zu sein. Man würde sich bald verlaufen. Angst und Zweifel würden auch die letzten noch vertreiben. „Das Wort Gottes wuchs und breitete sich aus?“

Apostelgeschichte 12,3-5

Als er merkte, dass dies den Juden gefiel, ging er noch einen Schritt weiter und ließ auch Petrus gefangen nehmen – gerade in den Tagen des Passafestes. Petrus wurde ins Gefängnis gebracht; zu seiner Bewachung wurden vier Gruppen zu je vier Soldaten abgestellt, die einander ablösen sollten. Herodes wollte ihm nach dem Fest vor allem Volk den Prozess machen. So saß Petrus also streng bewacht im Gefängnis. Die Gemeinde aber betete Tag und Nacht inständig für ihn zu Gott.

Das Volk freute sich tatsächlich über die Enthauptung. Wenige Wochen vorher wurden die Apostel bewundert, hatte die Gemeinde großes Ansehen in der Bevölkerung, doch jetzt wurde offensichtlich, dass sich das Wort nicht unter ihnen ausbreitete, sondern sich andere Wege suchte.

Statt Wachstum setzte Herodes nun auch Petrus fest, den unumstrittenen Kopf der Gemeinde. Sein Todesurteil sollte die Jesusbewegung endgültig zerschlagen. Mit 16 Wachen wurde Petrus, ein friedlicher Christ, rund um die Uhr bewacht.

Doch die Festnahme zum Passahfest lässt auch einen Unterton leise hörbar werden. Ist es doch das Fest der Befreiung aus der Sklaverei, und erinnerten sich die Menschen daran, dass Gott stärker ist als alle Mächte dieser Welt, auch als König Herodes. Jesus starb an einem Passahfest, er stellte mit seinem stellvertretenden Tod die Brücke von Gott zu den Menschen wieder her. Mit Jesus kann auch der Tod nicht von Gott trennen. 

Während Petrus also von 16 Gefängniswärtern in Schichten bewacht wurde, betete die Gemeinde ununterbrochen für seine Befreiung. Ihre himmlische Bewachung steht gegen die zahlreichen Wachleute im Gefängnis.

Apostelgeschichte 12,6-11

In der Nacht, bevor Herodes ihn vor Gericht stellen wollte, schlief Petrus zwischen zwei der Wachsoldaten, mit Ketten an sie gefesselt. Vor der Tür der Zelle waren die zwei anderen als Wachtposten aufgestellt. Plötzlich stand da der Engel des Herrn, und die ganze Zelle war von strahlendem Licht erfüllt. Der Engel weckte Petrus durch einen Stoß in die Seite und sagte: »Schnell, steh auf!« Da fielen Petrus die Ketten von den Händen. Der Engel sagte: »Leg den Gürtel um und zieh die Sandalen an!« Petrus tat es, und der Engel sagte: »Wirf dir den Mantel um und komm mit!« Petrus folgte ihm nach draußen. Er wusste nicht, dass es Wirklichkeit war, was er da mit dem Engel erlebte; er meinte, er hätte eine Vision. Sie kamen ungehindert am ersten der Wachtposten vorbei, ebenso am zweiten, und standen schließlich vor dem eisernen Tor, das in die Stadt führte. Das Tor öffnete sich von selbst. Sie traten hinaus und gingen die Straße entlang, doch als Petrus in die nächste einbog, war der Engel plötzlich verschwunden. Als Petrus zu sich kam, sagte er: »Es ist also wirklich wahr! Der Herr hat seinen Engel geschickt, um mich vor Herodes zu retten und vor dem zu bewahren, was das jüdische Volk sich erhofft hat!«

Nach menschlichen Maßstäben war eine Flucht aus dem Gefängnis nicht möglich, doch das Evangelium blitzt hier auf. Ein Engel des Herrn tritt ein. Sein Licht schluckt die Finsternis des Gefängnisses. Petrus hat keine Wahl, er muss sich dem Licht überlassen.

Wir kennen vielleicht die Wirkung von Gegenlicht. Auf der Bundesstraße von Usingen nach Merzhausen gibt es Tage, da steht die Sonne in einem Winkel, dass man nichts mehr auf der Straße sehen kann. Man hat die Wahl, entweder sehr langsam weiter zu fahren oder auf Risiko mit Tempo 80 ins Licht zu rasen.

In unserem Leben gibt es im übertragenen Sinne auch diese Erfahrungen. Wie im Gefängnis fühlen wir uns. Da machen sich Angst und Zweifel breit, obwohl wir doch wissen, dass wir Gott vertrauen können. Da fühlen wir uns kraftlos und überfordert, und gleichzeitig werden wir in der Gemeinde gebraucht. Da wollen wir an unserer Beziehung festhalten, die Liebe ist aber schon erkaltet. Da hören wir, wie wichtig es ist, anderen die Liebe Gottes weiterzugeben, aber wir kennen einfach niemand, der dafür offen ist. Und in dieser Situation werden wir geblendet, vielleicht durch ein Gespräch, einen Menschen, der uns ein Stück Weg begleitet, einen Impuls, den wir irgendwo aufschnappen, und wir merken: Da will uns einer aus unserem Kreisen um die eigene Achse befreien. Wie durch ein starkes Gegenlicht werden wir zum Innehalten gezwungen. Eine Stimme ruft uns: Steh auf und komm!

Steh auf! Dieser Aufruf appelliert an unseren Willen. Will ich etwas ändern? Will ich aus meinem Gefängnis heraus kommen? Will ich vertrauen und offen werden für Gottes Wege mit mir, für Heilung, für die  Herausforderung, einen neuen Anfang zu machen? Komm!, ruft uns Jesus zu. An seiner Quelle sollen wir trinken, uns stärken und die Kraft zum Aufbruch bekommen. 

Die ersten Methodisten in Brombach liefen zwei Jahre viele Kilometer zu Fuß nach Wehrheim, um dort methodistische Versammlungen zu besuchen. Sie hatten ihre Quelle gefunden, sind aufgebrochen, um einen Neuanfang zu machen, der bis heute zu einer lebendigen Gemeindearbeit führte.

Diese Sehnsucht, die Quelle aufzusuchen, können wir nicht machen, sie muss uns geschenkt werden. Aber wir können in unseren Gefängnissen darum bitten und bereit sein, bis der Ruf uns ereilt: Steh auf und komm!

Eine spannende Frage ist, was wir als Gemeinde tun können, um Menschen zur Quelle, zu Jesus einzuladen. Reichen Gemeindebriefe, die wir weitergeben, oder braucht es ganz neue Zeiten der Begegnung, Orte und Menschen, die anknüpfen können? Ein Anfang dazu ist die sehr ehrliche Frage an uns selbst: Was brauche ich, damit ich näher an die Quelle komme? Wo nehme ich am intensivsten Jesus wahr und höre sein „Komm!“? 

"Das Wort wuchs und breitete sich aus." (Apostelgeschichte 12,24) Das sollte nicht nur als Fazit unter schwierigen Gemeindejahren in Jerusalem stehen, sondern auch unter unserer Gemeindearbeit. Das Wachstum geschieht wie bei meinen Topfpflanzen nicht in der fettesten Erde. Gerade der Mangel, die Not und in Jerusalem und überall auf der Welt die Verfolgung sind besondere Wachstumsfaktoren. 

Vielleicht ist unsere Not, dass wir die Hoffnung verloren haben. Die Hoffnung, dass irgendetwas besser werden könnte, ist uns auf breiter Front abhanden gekommen. Wo wir nicht mehr hoffen, zieht Depression und Gleichgültigkeit ein. Man lebt vor sich hin und nimmt mit, was sich bietet.

In diesen Notzeiten haben wir Christen viel dagegenzusetzen. Die Liebe Gottes ist das Licht, das unseren Blick auf sich zieht und neuen Sinn eröffnet. Das durchzubuchstabieren an der Quelle des Lebens, ist unsere Aufgabe und wird zu einem Wachstum führen, weil Menschen Hoffnung wie das tägliche Brot brauchen.

Cornelia Trick


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