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Liebe Weihnachtsgemeinde,
Anders als die Gemeinde des allerersten Weihnachtstages wissen wir heute mehr von Jesus. Wir sehen in dem hilflosen Kind den Mann, der Gottes Wort vollmächtig verkündete. Zum Zeichen der herangekommenen Zeit Gottes erinnern wir uns an seine Wunder, mit denen er Menschen heilte und sie zurück in die Gemeinschaft mit Gott rief. Wir sehen in dem Kind den Gekreuzigten, der mit seinem Tod den Weg zum Himmel öffnete und wissen um den Auferstandenen, der heute mit seinem Geist unter uns ist. Doch wie damals stellt sich auch heute die zentrale Frage: Wer ist Jesus für mich? Ist er für mich immer noch das Kind in der Krippe, das hilflos ist, das sich anpassen wird und formbar ist? Bleibt Jesus für mich ein Kind, das ich für meine Zwecke einsetzen kann? Oder ist Jesus für mich der Auferstandene, Gottes Sohn, der mich zum Vater im Himmel ziehen will, der sich nicht mir anpasst, sondern der mich nach dem Willen des Vaters formt? Auf diese Frage gibt der Evangelist Johannes Antwort mit der Darstellung des Lebensweges Jesu. Er verdeutlicht, dass Jesus der Ursprung aller Zeiten ist, der vor der Erschaffung der Welt war und auch nach der Zeit dieser Erde noch sein wird. Jesus wird sich nicht an uns anpassen, sondern sein Leben auf der Erde ist Gottes Ruf zur Entscheidung. Wollen wir mit ihm leben oder nicht? So lade ich Sie ein, heute Morgen eine etwas untypische Weihnachtsgeschichte zu betrachten, die nichts zu tun hat mit Hirtenromantik und Stallatmosphäre, dafür umso mehr der Frage Raum gibt, wer Jesus nun eigentlich ist. Johannes 7,28-29 Jesus rief am Laubhüttenfest in Jerusalem in die Menge. Das Laubhüttenfest hatte damals eine ähnliche Bedeutung für die Menschen wie unser Weihnachtsfest. Man feierte die Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten, Laubhütten symbolisierten die Zelte bei der Flucht. Dieses Fest, von dem Johannes berichtet, fand ein halbes Jahr vor Jesu Kreuzigung statt. Viele aus ganz Israel machten sich auf, um es in der Hauptstadt Jerusalem zu feiern. Wie kam es auf diesem Volksfest zum Rufen Jesu? Drei Personengruppen treten nach der Darstellung des Evangelisten Johannes auf die Bühne: Die Brüder Jesu, das Land- und Stadtvolk, das sich im Gesetz Gottes nicht besonders gut auskennt, und die Pharisäer und Schriftgelehrten. Alle drei Gruppen haben einen anderen Blick auf Jesus. Die Brüder sind Jesu nächste Verwandte. Sie kennen seine Reden und Wundertaten rund um die Heimatstadt Nazareth in Galiläa. Sie finden, er sollte endlich seine Chance nutzen und in Jerusalem auftreten. Vielleicht erhoffen sie sich davon auch einen persönlichen Vorteil, als seine Brüder können sie so selbst Ansehen gewinnen. Sie wollen Jesus vor ihren Wagen spannen. Das einfache Volk ist sich nicht einig in der Beurteilung von Jesus. Man redet viel über ihn, so viel, dass Johannes die Gespräche als Gemurmel bezeichnet. Überall flackert das Thema auf und wird hin und her erwogen. Manche sagen, Jesus ist gut, andere sagen, er verführt das Volk. Niemand traut sich öffentlich Stellung zu beziehen aus Angst, ins Abseits zu geraten. Die Menge wird als schwach und kraftlos beschrieben, in ihrer Meinung unbestimmt, aufgescheucht, aber nicht entschlossen. Die Pharisäer und Schriftgelehrten repräsenieren die religiöse und politische Führungsriege. Sie lehnen Jesus offen ab, seit er am Sabbat einen Mann am Teich Siloah heilte. Sie wollen Jesus aus dem Verkehr ziehen und haben ihre Handlanger, Knechte, die das Geschäft für sie verrichten sollen. Diese drei beschriebenen Personengruppen finden sich auch zum Weihnachtsfest 2006 wieder ein, natürlich unter anderem Namen. Die Brüder stehen für die, die die Geburt Jesu als Mittel zum Zweck sehen. Das Kind in der Krippe schmückt ihre eigenen Bedürfnisse. Es kurbelt den Konsum an, denn ein Baby ist gut fürs Geschäft. Weihnachten darf deshalb auch ruhig ein bisschen christlich sein, Rudolf, das Rentier mit der roten Nase, kann auch zur Krippe nach Bethlehem kommen. Die "Brüder" wollen allerdings keinen rufenden Jesus beim Fest. Die Stallidylle soll stumm bleiben. Sie wissen, woher die Geschichte mit Weihnachten stammt, mehr interessiert nicht. Das Volk können die diskutierfreudigen Mitmenschen von heute sein. Man überlegt, ob Jesus ein vorbildlicher Mensch war oder vielleicht doch mehr als das. Man betrachtet die Krippenszene am Heiligabend und deutet die einzelnen Figuren. Das Jesuskind kann dabei schnell aus dem Mittelpunkt rücken. Viel spannender scheint zu sein, sich in Maria und Josef hineinzuversetzen, die soziale Situation von Hirten zu analysieren oder die Bedeutung der Sternforschung um die Zeit 0 zu erforschen. Die Diskussionen lassen eine Zuschauerposition einnehmen, von der aus nichts entschieden werden muss und alles in der Schwebe bleiben kann. Zufrieden macht diese Position nicht, es bleibt der Durst, hinter das Geheimnis zu kommen, Jesus zu erfahren und von der Krippenszene bis ins Innerste berührt zu werden. Jesus sagt diesen diskutierfreudigen Leuten, sie können seine Bedeutung nur kennen lernen, wenn sie sich auf ihn einlassen, nämlich Gott gehorchen. Ohne das werden sie nie weiter kommen als bis zur Tür des Weihnachtsstalls. Hinein kommt nur, wer die eigenen Schuhe auszieht und sich Gottes Weg anvertraut (Johannes 7,17). Die Pharisäer und Schriftgelehrten sind die schärfsten Gegner Jesu. Sie spüren Jesu Vollmacht. Doch suchen sie nicht die offene Konfrontation, sondern agieren im Verborgenen. Doch ihre Schergen können Jesus nicht packen. Sie schrecken vor ihm zurück, spüren, dass er unter einem anderen Schutz steht. Sie können Gottes Plan nicht aushebeln. Spüren wir einen solchen Widerstand beim Weihnachtsfest? Gibt es Menschen, die in unserer Umgebung Weihnachten hassen, weil sie Jesus hassen? Oder liegt die allgemeine Akzeptanz des Festes daran, dass Gottes Vollmacht gar nicht mehr zu spüren ist, das liebe Jesuskind eben eine historische Puppe bleibt, ohne dass sie ruft? Müssen wir uns hier von Jesus hinterfragen lassen, ob wir dem Weihnachtsfest den Christusruf weggenommen haben, der vor die Entscheidung stellt? Jesus stand bei seinem Rufen im Tempel vor einer dreifachen Mauer. Seine Brüder wollten ihn für ihre Zwecke einspannen. Dem Volk fehlte die Entschlossenheit, sich auf ihn einzulassen. Die Pharisäer hassten ihn. Und doch rief er laut, dass alle es hören konnten. Er rief die Menschen an, die die Mauer bildeten, und er ruft hinein in unser Weihnachtsfest. Er ruft:
![]() Da ist jemand, der sich ausgebrannt fühlt, am Ende der Kraft, in Beziehungen am Rande, bei der Arbeit auf dem Zahnfleisch, und morgens erwacht er schon mit einem enormen Druck auf den Magen. Er lebt wie in einer Wüste ohne Oasen. Da ist eine, die leidet mit einem lieben Menschen mit. Es dreht ihr das Herz um, wenn sie am Krankenbett sitzt und nichts anderes tun kann, als die Hand der Freundin zu halten. Sie ist durstig nach Trost in diesem trostlosen Krankenzimmer. Da sitzt einer vor dem Fernseher und kann die Nachrichten nicht mehr ertragen. Eine Schreckensmeldung jagt die andere, und selbst der Wetterbericht lässt Klimakatastrophen der Zukunft erahnen, wenn im Dezember die Alpen grün bleiben. Er ist durstig nach dem Hoffnungsschimmer im Weltuntergang, der rettenden Hand, die herauszieht und nicht alles vor die Hunde gehen lässt. Jesus ruft: "Wen dürstet, der komme zu mir und trinke!" Wie können wir zu Jesus kommen und von ihm trinken? Wie bringt uns das die Weihnachtsgeschichte nahe? Hirten und Weise hörten und sahen den Christusruf. Sie wussten, dass sie gemeint sind und sich aufmachen müssen, um zu Jesus zu kommen. Sie haben nicht vor lauter Diskutieren das Aufbrechen vergessen. Weihnachten ruft Jesus uns jedes Jahr aufs Neue. Er ruft uns zu, alles liegen zu lassen und zu ihm zu kommen. Er will nicht mit Festessen und Familienglück beschenkt werden, sondern erst selbst zu Wort kommen. Und das geschieht in der Stille, im Lesen der Evangelien, im Reden mit Jesus "Jesus, ich will von dir zu trinken bekommen, bitte, gib mir von deinem Wasser", im Hören auf Musik, die sein Rufen in unser Herz bringt. Wenn Jesus Wasser gibt, so wird sich sein Strom lebendigen Wassers im eigenen Leben fortsetzen. Menschen, die bei Jesus trinken, werden nicht nur kleine Brunnen, die einzelnen Wasser geben können, sondern sie werden in den großen Strom aufgenommen, von dem es beim Propheten Hesekiel und im Buch der Offenbarung heißt, das an ihm Bäume wachsen werden, die zwölf Mal im Jahr Frucht tragen (Hesekiel 47,1ff; Offenbarung 22). Jesus hatte in Jerusalem mit seinem Ruf einen Menschen erreicht, der sogar zu der Gruppe der Hasser gehörte, nämlich Nikodemus. Nikodemus hatte vor diesem Laubhüttenfest Durst gehabt. Der Durst hatte ihn nicht schlafen lassen. In der Nacht suchte er Jesus auf und fragte ihn nach diesem Wasser, das ihn neu machen würde (Johannes 3). Jetzt auf dem Laubhüttenfest nahm Nikodemus als einziger Jesus in Schutz. Er stellte sich zu ihm, was ihn zu einer verdächtigen Person werden ließ: "Bist du auch ein Galiläer?" (Johannes 7,52) Er hatte bei Jesus getrunken, und die erste Veränderung bestand darin, dass er sich zu Jesus stellte, sozusagen in den Stall von Bethlehem eintrat, niederkniete und Jesus vertraute. Mit Nikodemus war ein Stein aus der Mauer der Ablehnung gebrochen. Es war der Anfang einer weltweiten Bewegung. Sind wir Steine, die in der Mauer der Ablehnung bleiben, oder brechen wir heraus wie Nikodemus? Trinken wir an diesem Weihnachtsfest von Jesus lebendiges Wasser? Wollen wir neu werden oder nur unsere Kindheitserinnerungen pflegen? Wenn wir trinken wollen, bietet uns Jesus an, eine vertrauensvolle Beziehung zu ihm einzugehen, mit ihm zu reden wie mit dem besten Freund oder der Freundin, er bietet uns an, unsere Pläne, Vorstellungen, unser Rechthaben und unsere Streitigkeiten loszulassen und sie ihm zu bringen. Er bietet uns an, auf seinen Ruf zu antworten und bei ihm lebendiges Wasser zu trinken: "Ich will zu dir gehören, für dieses Leben bis in Ewigkeit." Johannes 7,37-39 Cornelia
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