Christsein - unwichtig, unwahr, unattraktiv?
Gottesdienst am 21.01.2001

Jesus sagt: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. (Johannes 14,6)

Interview auf einer belebten Einkaufsstraße in der Innenstadt

Interviewerin: "Hat Jesus Christus eine Bedeutung in Ihrem Leben?"

Eine Frau: "Christsein finde ich langweilig. Was hat das mit meinem Alltag zu tun? Christen sind doch auch keine besseren Menschen. Das Thema ist weit weg für mich. Ich bin ein guter Mensch, der niemand was tut, das reicht doch, oder?"

Interviewerin: "Was sagt Ihnen Jesus Christus?"

Ein Mann: "Jesus hat sich mir noch nicht vorgestellt. Mit der modernen Wissenschaft ist doch jedes Wunder Jesu erklärbar. Ich halte mich an das, was ich sehe. Kann doch meinen Verstand nicht an der Kirchentür abgeben. Schwache Menschen brauchen vielleicht ein höheres Wesen, ich vertraue lieber auf meine eigene Kraft."

Interviewerin: Was halten Sie vom Christsein?

Ein Mann: "Das passt nicht in mein Lebenskonzept. Den Sonntag brauche ich zum Ausschlafen. Ich habe Spaß am Leben und keine Lust auf Gewissensprüfung, Verbote, Gesetze. Christen sind doch verstaubte Leute ohne Lebensmut. Ich finde mich ganz o.k., weiß nicht, was Christsein da ändern würde."

Interviewerin: "Bedeutet Ihnen Jesus Christus etwas?"

Ein Mann: "Ich glaube an Jesus Christus. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass er mein Leben verändert hat, mir einen festen Halt gegeben hat. Ich erlebe seine Gegenwart in meinem Alltag und kann mir ein Leben ohne ihn gar nicht mehr vorstellen."
 

Liebe Gemeinde, liebe Gäste,
wir nehmen teil an einem Interview, das so ganz ähnlich auf der Zeil ablaufen könnte. Christsein ist eigentlich verstaubt, was soll man heute damit anfangen. Christen sind keine besseren Menschen, die wirken auch nicht gerade überzeugend. Und doch erhebt sich aus der Schar derer, die ihr Leben ganz gut ohne Jesus Christus organisieren können, eine Stimme, die bekennt: Ich glaube. Es klingt wie ein Protestschrei in einer Schar von Blinden.

Von der Zeit, als Jesus in Palästina lebte, wird eine Begebenheit berichtet, die genau das zum Ausdruck bringt (Lukas 18,35-43). Da war ein Mann blind. Er saß am Straßenrand und bettelte, eine andere Einnahmequelle hatte er offenbar nicht. Er merkte, dass um ihn herum etwas vor sich ging, die Leute wurden aufgeregt, liefen hin und her, immer häufiger fiel der Name Jesus. Ob er viel von Jesus wusste? Vielleicht nur so viel, dass er sich von ihm Hilfe erhoffte. Als er merkte, dass Jesus auf Rufnähe herangekommen war, begann er zu schreien. Er schrie und schrie: Jesus hilf mir. Den Umstehenden war das sicher schon peinlich. Jesus hörte diesen einsamen Mann am Straßenrand. Er ging zu ihm hin und heilte ihn. Er half nicht nur diesem Blinden, er half uns damit. Denn auf eindrückliche Art machte er deutlich, all die Menschen, die ihm nachgelaufen waren, die Theologen, Juristen, Kaufleute, die gute Augen hatten, haben Jesus nicht gesehen. Der Blinde am Straßenrand, der hat begriffen, wer Jesus wirklich ist. Der vertraute ihm sein Leben an und wurde dadurch heil. Diese Geschichte ist für mich ein Spiegelbild unseres Interviews. Wir leben und denken, wir würden die Welt begreifen. Aber hinter dem, was wir sehen, gibt es noch eine andere Wirklichkeit. Manchmal spüren wir die Sehnsucht nach ihr. Für diese Wirklichkeit möchte Jesus uns die Augen öffnen.

Wegweiser in unserer Welt
Mann ohne Bauch

Fühlen Sie sich manchmal so? Da scheint alles in Ordnung, die Krawatte sitzt, die Strümpfe passen zu den Schuhen, das persönliche Umfeld stimmt, eigentlich müssten Sie zufrieden sein. Aber Sie spüren, etwas fehlt. Die Mitte fehlt. Sie haben Hunger auf ein tiefes Gefühl der Zufriedenheit, das Sie zur Ruhe kommen lässt. Viele von uns haben ja auch scheinbar alles, Arbeit, Familie, Freunde, Frieden in unserem Land und soziale Absicherung, Heizung für den Winter und ein schönes Urlaubsziel im Sommer. Doch können wir nicht behaupten, wie Glückspilze durch die Gegend zu gehen und voll innerer Dankbarkeit zu strahlen.

In der Zeitung las ich dieser Tage von einer Bewegung "Einfaches Leben", die seit den 90-er Jahren aus den USA kommend großen Zulauf hat. Die Botschaft ist einfach. Weil wir schon alles haben, sollen wir nicht noch mehr anhäufen, sondern mit weniger zufrieden sein, den Lebensstandard zurückschrauben, mehr Zeit für wesentliche Dinge investieren. Leute geben ihren stressigen Beruf auf, verkaufen ihr Monsterhaus, ihren Allrad betriebenen Landrover und entdecken, dass weniger plötzlich mehr ist. - Soweit war es in der Zeitung beschrieben.

Doch das Loch im Bauch können wir sicher nicht allein dadurch stopfen, dass wir uns von unserem Überfluss trennen. "Zurück zu den Ursprüngen" kann diese Frage, was unser Leben im Letzten hält, nicht beantworten. So hätte ich gerne noch gewusst, ob sich hinter dem Konzept noch mehr verbirgt, etwa der Glaube, dass Gott unser Leben reich macht, dass er die Leere ausfüllt, die noch so viel Konsum nicht füllen kann.

Jesus bietet an, Wegweiser für uns zu sein, er möchte nicht nur unser Verhalten ändern, er möchte unserem Leben einen neuen Mittelpunkt geben, einen Schwerpunkt, nach dem sich alles andere ausrichtet.

Ich möchte kurz die Lebensgeschichte von Leo Tolstoi erzählen, einem Mann, der im 19. Jahrhundert gelebt hat. Er hat in sehr anschaulicher Weise seine Entwicklungsphasen beschrieben, die genau die Situation von dem Menschen ohne Bauch beschreiben, aber auch darüber hinaus führen.

Leo Tolstoi hatte sich schon als Kind vom Christentum abgewandt. Er verließ die Universität, um sein Leben aus vollen Zügen zu genießen. Bald fand er Anschluss an die gesellschaftlichen Kreise von Moskau und St.Petersburg. Er trank viel, hatte viele Frauen, versuchte sein Glück im Spiel und führte ein ausschweifendes Leben. Doch er fand keine Befriedigung. So versuchte er es mit Geld als Lebensinhalt. Er hatte viel geerbt und verdiente viel mit seinen Büchern – Anna Karenina und Krieg und Frieden gelten mit als brillianteste Romane des 19. Jahrhunderts. Doch er war nicht zufrieden. So setzte er seine Suche nach Lebenssinn fort und setzte auf Erfolg, Ruhm und Einfluss. Seine Romane waren ein Erfolg, sicherten ihm Ruhm und öffneten ihm überall die Türen. Doch er stellte fest: "Nun – was soll´s?" Es war keine Antwort auf seine Lebensfragen. So entschloss er sich, eine Familie zu gründen. Er heiratete eine freundliche, liebevolle Frau. Den Eheleuten wurden 13 Kinder geschenkt, die nach seinen eigenen Angaben ihn gründlich von der Suche nach Lebenssinn abgehalten haben. Scheinbar hatte er sämtliche Ziele erreicht, sein Glück war scheinbar vollkommen. Doch er stand am Rand des Selbstmordes. Immer und immer wieder fragte er sich: Gibt es einen Sinn in meinem Leben, der nicht dadurch zerstört wird, dass ich sterbe? Dem ging er nach in der Wissenschaft und Philosophie. Als einzige Antwort erhielt er, dass Raum und Zeit unendlich sind, sich in ihr unendlich viele Teile bewegen mit einer unendlichen Komplexität. Er merkte, dass kaum einer seiner Bekannten solche Fragen stellte wie: 

  • Woher komme ich?
  • Wohin gehe ich?
  • Wer bin ich?
  • Worum geht es im Leben?
So machte er sich auf und ging zu den russischen Bauern. Er bekam bei ihnen Antwort. Sie luden ihn ein, sein Leben Jesus Christus anzuvertrauen und in ihm den Dreh- und Angelpunkt seines Lebens und die Brücke über den Tod hinaus anzunehmen.

Leo Tolstoi hatte alles, wovon wir oft nur träumen können, Geld, Einfluss, Ruhm, Familie, Intelligenz. Doch Träume scheinen zu trügen, sie bringen nicht den erhofften Sinn des Lebens. Sie stopfen nicht das Loch in unserem Leben. Die Sehnsucht, ganz zu werden, stillt Jesus. 

Jesus sagt: Ich bin der Weg! Er kommt in unser Inneres, in unsere Gedanken und Gefühle, in die dunklen Kammern unserer Selbstzweifel und unserer Trostlosigkeit. Er füllt aus, er gibt Lebensperspektive. Auf die Frage "Woher komme ich?" gibt er Antwort. Er sagt: "Du bist ein Gedanke Gottes, Gott hat dich so gewollt und dir das Leben geschenkt. Gott hat dich mit allem begabt, was du zum Leben brauchst und was an der Stelle wichtig ist, die du ausfüllen kannst." Auf die Frage "Wohin gehe ich?" weist Jesus hin auf Gottes Ewigkeit, die unser Lebensziel ist und die Vollendung, die wir hier immer nur bruchstückhaft erfahren. Auf die Frage "Wer bin ich" sagt er, dass wir Gottes Geschöpfe sind, dazu ausersehen, seine Kinder zu sein, um die er sich in Liebe kümmert. Die Antwort auf die Frage "Worum geht es im Leben" ergibt sich daraus. Es geht darum, mit Jesus auf Gottes Weg zu sein und ihm zu folgen. 

Wahrheit in unserer Welt
Mann am Abgrund

So viele Sinnangebote tummeln sich auf unserem Markt der Möglichkeiten. Ich vermute, dass es viel mehr sind, als noch zu Leo Tolstois Zeiten. Da gibt es diesen Kurs zum einfachen Leben, religiöse und spirituelle Angebote und Trainingskurse, die Möglichkeit, sich selbst ein Denkmal zu meißeln oder sich in den Kindern zu verewigen, Sinn daraus zu schöpfen, sich für andere einzusetzen und gebraucht zu werden...

Was sollen wir tun?

Jesus sagt: Ich bin die Wahrheit! Sehr anstößig ist dieser Satz – heute mehr denn je. Denn er betont einen unbedingten Anspruch auf Einzigartigkeit und Absolutheit. Wo Jesus Wahrheit ist, bleibt für andere Wahrheiten nur noch ein untergeordneter Platz übrig. Der Anspruch Jesu scheint nicht in unsere plurale Gesellschaft zu passen.

Wenn wir jetzt in ein Gespräch über die Definition von Wahrheit einsteigen würden, kämen wir wahrscheinlich zu sehr unterschiedlichen Aussagen. "Wahr ist, wenn etwas objektiv beweisbar ist", würde vielleicht jemand definieren. Und es gibt viele Tatsachen, die beweisbar sind, z.B. dass die Erde rund ist und sich um die Sonne dreht. Eine andere würde einwerfen "wahr ist, wenn es von Vielen als wahr erlebt wird". Sie bringt in die Diskussion ein, dass manche Geschehen nicht objektiv beweisbar sind. Da passiert ein Autounfall und keine Kamera hat den genauen Tathergang ermittelt. Man ist auf die Zeugenaussagen angewiesen. Wenn sie übereinstimmen, gilt das Ergebnis als wahr. Doch wieder ein anderer würde sagen "wahr ist, was in meinem Leben zu einer tragenden Wahrheit wurde". Er spielt auf eine ganz andere Ebene von Wahrheit an, die sich in unserem Inneren abspielt. Die Liebe meiner Mutter ist wahr, denn sie hat mich bis heute getragen. Die Zuwendung, die wir uns gegenseitig schenken, gewinnt an Wahrheit, wenn sie ungeteilt und aufrichtig ist und kein Lippenbekenntnis bleibt.

So ist die Wahrheit Jesu auch ein vielschichtiger Begriff. Zum einen sagt er aus, dass Jesus objektiv eine historische Persönlichkeit war, die gekreuzigt wurde. Dann sagt der Begriff Wahrheit aus, dass viele erlebt haben, dass ihnen der auferstandene Jesus begegnet ist. Zeugenberichte stimmen überein. Und schließlich ist Jesus wahr geworden im Leben von uns Christen. Wir erfahren, dass der auferstandene Jesus sich um uns kümmert, dass er uns nicht fallen lässt, dass er uns Sinn gibt und unser Leben ordnet.

Diese letzte Wahrheit, die das persönliche Leben berührt ist wie ein Sprung von der Klippe ins Unbekannte. Denn dass Jesus wirklich hält, merken wir erst im Fallen. Oben auf der Klippe können wir uns aufs Springen vorbereiten. Wir können die Bibel lesen, die Erfahrungsberichte von vielen Menschen, die Gottes Halten erlebt haben. Wir können mit Freunden reden, die Christus als Wahrheit erfahren haben. Wir können uns in der Gemeinde darauf ansprechen und um Hilfe bitten. Wir können einen Alpha-Kurs hier besuchen und die ersten Schritte des Christseins kennen lernen. Klippen gibt es übrigens nicht nur am Anfang unseres Lebens mit Gott. Sie kommen immer wieder. Deshalb ist es für uns alle so wichtig, uns zu vergewissern, dass Jesus die Wahrheit ist und sich in unserem Leben als die Wahrheit erweisen will.

Jesus sagt: "Ich bin der Weg, denn ich bin die Wahrheit und das Leben. Einen anderen Weg zum Vater gibt es nicht. Wenn ihr mich kennt, werdet ihr auch meinen Vater kennen." (Johannes 14,6)

Das Interview auf der Einkaufsstraße geht weiter. Wir könnten die 3 Skeptiker zum Alpha-Kurs einladen. Vielleicht werden sie wie der Blinde an der Straße bei Jericho Jesus kennen lernen und aus vollem Herzen sagen: Mir bedeutet Christsein, einen Weg zu kennen, mein Leben heil werden zu lassen und Gottes Kraft zu spüren.

Cornelia Trick


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