Christ sein - berufen und gesandt
Gottesdienst am 03.07.2011

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
während unser Gemeindezentrum renoviert wird, feiern wir unsere Gottesdienste ab heute im Bürgerhaus mitten in der Ortsmitte. Diese Situation erinnert an die Gründungszeit der Gemeinde 1876, als ein Prediger von Frankfurt aus Versammlungen in einer hiesigen Gaststätte abhielt. Menschen erfuhren in dieser Gaststätte eine Lebenswende, wurden von Gott herausgerufen aus ihrer Situation, änderten ihr Leben und wurden Teil von Gottes Familie. Auch wir sind jetzt mitten in der Welt, aber berufen von Gott, herausgefordert, unseren Blick auf ihn zu richten und uns von ihm leiten zu lassen.

Unser zweiter Abschnitt des Glaubenskurses „Christ sein“ anhand des Kolosserbriefes lässt uns lernen, was es heißt, von Gott berufen zu sein und sich senden zu lassen.

Kolosser 1,21-23

Das gilt auch für euch. Einst standet ihr Gott fremd und feindlich gegenüber und habt das durch eure bösen Taten gezeigt. Aber weil Christus in seinem menschlichen Leib den Tod auf sich nahm, hat Gott jetzt mit euch Frieden gemacht. Als sein heiliges Volk steht ihr jetzt rein und fehlerlos vor ihm da. Ihr müsst nur im Glauben fest und unerschütterlich bleiben und dürft euch nicht von der Hoffnung abbringen lassen, die euch durch die Gute Nachricht gegeben ist. Ihr habt sie gehört, und sie ist in der ganzen Welt verkündet worden. Mich, Paulus, hat Gott in seinen Dienst genommen, damit ich sie überall bekanntmache.

Bleiben im Glauben

Im Gottesdienst werden wir daran erinnert, zu welchem Machtbereich wir gehören. Wir leben zwar mit beiden Beinen in der Welt, aber sie hat keine Macht mehr über uns. „Welt“ meint alles, was gegen Gott steht, ihn nicht als oberste Autorität anerkennt, das kann das eigene Ich sein oder Mächte und Gewalten. Die so genannte Welt lebt wie mit der Kraft einer Batterie, immer wieder geht der Saft aus, das Handeln bleibt auf der Strecke oder führt zu falschen Resultaten. Gott hat diese Welt versöhnt und die Batterien überflüssig gemacht. Er hat seine Stromquelle freigegeben, jeder und jede darf kommen und sich in sein Netz einbinden. Er oder sie wird von seinem Geist durchdrungen, ist heilig, rein und fleckenlos.

Die Kolosser gingen davon aus, dass um den Thron Gottes Engel waren, die die Aufgabe hatten, Gott zu loben und die Menschen, die sich falsch verhielten, zu verklagen. Die Menschen hatten Angst vor den Engeln, wollten sie durch Askese und andere Verhaltensweisen gnädig stimmen. Das ist mit Jesus überflüssig geworden, denn die Engel können nicht mehr verklagen. Wer mit Gott versöhnt ist, gehört praktisch schon zu Gottes Hofstaat, lobt zusammen mit den Engeln Gott.

Diese neue Stellung bedeutet Verantwortung. Deshalb werden wir aufgefordert, im Glauben zu bleiben, fest und unerschütterlich, und uns nicht abbringen zu lassen.

Was heißt es für uns, im Glauben zu bleiben? Drei Stichworte sind in diesem Zusammenhang zu nennen:

  • Wir brauchen eine Gemeinschaft von Christen, die uns erinnert und unterstützt. Sonst schalten wir leicht wieder auf Batteriebetrieb um, beziehen unsere Kraft aus Quellen, die versiegen.
  • Wir müssen selbst initiativ werden und für das Bleiben sorgen. Niemand kann uns das abnehmen. Uns in Gottes Gegenwart aufzuhalten, von ihm zu lernen, auf ihn zu hören, ihm Zeit zu widmen, ist unbedingt nötig. Manchmal reicht auch, sich in Gottes Nähe aufzuhalten, ohne konkret schon wieder aktiv zu werden. Denken wir an die Karottenflecken auf Babykleidung. Auch das 10. Waschen wird sie nicht entfernen. Stattdessen hilft ein Sonnenbad, die Sonne bleicht die Flecken aus.
  • Wir brauchen Verantwortung für andere. Einem Menschen zu helfen, ihn zu begleiten, seine Nöte anzuhören und mit zu tragen, seine Glaubensfragen zu bewegen, bringt uns näher zu Jesus. Wir spüren, wie wir auf ihn angewiesen sind, wie wir ohne ihn nichts weiterzugeben haben. Unser Vertrauen in ihn wird stark.
Kolosser 1,24-25
Ich freue mich, dass ich jetzt für euch leiden darf. An den Leiden von Christus würde noch etwas fehlen, wenn ich sie nicht durch das, was ich selbst körperlich leide, ergänzen würde - seinem Leib zugute, der Gemeinde. Zu ihrem Dienst bin ich bestellt durch das Amt, das Gott mir zu eurem Besten übertragen hat. Seine Botschaft soll ich überall verbreiten.

Leiden für Jesus

Paulus redet hier von sich selbst. Er freut sich, für die Gemeinde zu leiden. Wie sollen wir das verstehen? Schrieb Paulus in 1.Korinther 3,5 nicht „Christus ist für unsere Sünden gestorben“? Ja, Jesus Christus hat durch seinen Tod am Kreuz ein für allemal die Sünde, die Trennung von Gott, besiegt. Seinem stellvertretenden Leiden ist nichts hinzuzufügen. Jesus „braucht“ keinen Paulus, um die Sünde aus der Welt zu schaffen. Klarer verstehen wir mit Blick auf 2.Korinther 4,8-11:8 „Ich bin von allen Seiten bedrängt, aber ich werde nicht erdrückt. Ich weiß oft nicht mehr weiter, aber ich verzweifle nicht. Ich werde verfolgt, aber Gott lässt mich nicht im Stich. Ich werde niedergeworfen, aber ich komme wieder auf. Ich erleide fortwährend das Sterben, das Jesus durchlitten hat, an meinem eigenen Leib. Aber das geschieht, damit auch das Leben, zu dem Jesus auferweckt worden ist, an mir sichtbar wird. Denn als Lebender bin ich ständig für Jesus dem Tod ausgeliefert, damit auch das Leben, das Jesus hat, an meinem todverfallenen Körper offenkundig wird.“

In diesen schwierigen Lebensführungen wird Paulus völlig abhängig von Jesus. Weil Jesus Paulus aus den verschiedenen Notlagen rettet, wird er sichtbar für die Gemeinde. Paulus setzt Jesu Leiden stellvertretend in Szene, weil Jesus selbst beim Vater im Himmel ist. Nicht die Predigt allein führt zum Glauben, sondern im Lebenszeugnis des Apostel erweist sich Gottes Kraft in Jesus.

Es ist ein unbequemes Kapitel des Glaubenskurses. Mit Christus zu leben bedeutet, mit ihm gestorben zu sein. Das Leid ist nicht überwunden, sondern will in diesem Leben durchlebt werden. Schönwetter- Christen kannten die ersten Gemeinden nicht. Das Zeugnis des Neuen Testamentes sagt ganz klar: Wer Christ ist, muss Leiden um Jesu willen akzeptieren. Denn erst im Leiden wird Gottes Kraft sichtbar.

Ein Bild macht das anschaulich. Ein abgeschlossenes Tongefäß, in dem ein Licht steht, gibt keine Helligkeit an die Umgebung ab. Es ist blickdicht. Erst ein paar Risse und ausgeschlagene Ecken lassen an diesen Bruchkanten das Licht durch. Christen, die Bruchkanten des Leids in ihrer Biographie haben, werden durchlässiger für Jesu Licht. Sie geben nicht sich selbst der Umgebung weiter, sondern Jesus, der durch sie scheint.

Wie sieht unser Leiden, unsere Leidensbereitschaft aus? An Leiden können wir so einiges zusammentragen, Krankheiten, seelischen Kummer, Erfahrungen der Einsamkeit, Meinungsverschiedenheiten, die nicht zu klären sind. Durch den Kolosserbrief bekommen wir einen neuen Blick darauf. Es sind Chancen, Jesus zu erfahren, Jesus zu bezeugen und Menschen nahe zu sein, die auch leiden. Nicht das Vermeiden des Leidens um jeden Preis wird uns nahe gebracht, sondern es anzunehmen, es gehört zu uns und hält die Sehnsucht nach Vollendung in Ewigkeit in uns wach.

Kolosser 1,26-29

Ich soll das Geheimnis enthüllen, das er seit Urzeiten allen Generationen verborgen gehalten hatte, jetzt aber denen offenbart hat, die er in seine Gemeinschaft rief. Ihnen wollte er zeigen, welch herrlichen Reichtum dieses Geheimnis für euch, die nichtjüdischen Völker, in sich birgt: Christus mitten unter euch, gerade euch! Das bedeutet die sichere Hoffnung, dass Gott euch Anteil gibt an seiner Herrlichkeit! Diesen Christus verkünden wir. Und wir hören nicht auf, jeden einzelnen zu ermahnen und jedem einzelnen den Weg zu zeigen, den uns Christus gewiesen hat. Das tun wir mit der ganzen Weisheit, die uns gegeben ist. Denn wir möchten jeden und jede dahin bringen, dass sie vor Gott dastehen in der Vollkommenheit, die aus der Verbindung mit Christus erwächst. Eben dafür kämpfe ich und mühe mich ab, und Christus selbst wirkt durch mich mit seiner Kraft, die sich in mir als mächtig erweist. 

Gesandt zur Mission

Jesus ist Geheimnis. Ich stelle mir ein antikes Schatzkästchen vor, das irgendwo vergraben war. In diesem Kästchen liegt Jesus verborgen, nach dem sich die Menschheit im tiefsten Inneren gesehnt hat. Paulus enthüllt diesen Schatz. Jesus ist unter uns, Jesus ist in uns, Gottes Herrlichkeit ist durch Jesus in uns. 

Wir haben von Jesus den Auftrag bekommen, das Geheimnis weiterzusagen. Allerdings nicht nach der Methode der Gießkanne, sondern ganz individuell für jeden und jede persönlich. Paulus konnte nicht jedem einzelnen die Gute Nachricht weitersagen. Die Gemeinden waren seine Multiplikatoren. Sie gingen auch wieder einzeln oder zu zweit in ihre Alltagswelt und knüpften an, indem sie ihr Gegenüber achteten, mit ihrem persönlichen Leben Zeugnis gaben und mit den einzelnen auf dem Weg blieben, sie auf einer Lebensstrecke begleiteten. 

Wer sind die einzelnen, die wir begleiten? Nötig ist Weisheit von oben dazu. Nähe und Distanz in einem guten Maß, kein Überreden. Zutrauen, dass Jesus selbst wirkt und nachgeht, eine konkrete Zielvorstellung, dass diese einzelne, dieser einzelne einmal mit den Engeln im Chor singen wird.

Wie oft verwechseln wir Qualität mit Quantität. Wir rechnen nach, wie viele zu einer offenen Veranstaltung kamen, wie viele dabei geblieben sind. Wir freuen uns über volle Säle. Aber geht es nicht immer um jeden einzelnen? Und ist es nicht unser Auftrag, den einzelnen nachzugehen? Wer ist die Person, die Sie begleiten, die Sie zum Geheimnis Jesus locken? Die Sie einladen, sich von Gott ans Stromnetz seines Geistes und seiner Liebe anzuschließen?

Ein Abt hatte Henry Nouwen, einem bekannten Theologen des letzten Jahrhunderts den Rat gegeben, einen Tag als geistliche Übung den Satz „Du bist die Herrlichkeit Gottes“ immer wieder zu sprechen und darüber zu meditieren. Henry Nouwen schrieb über seine Erfahrungen an diesem Tag. Er meinte, wenn Christus wirklich in ihm sei, seine Herrlichkeit durch die Bruchstellen seines Lebens strahlte, wäre kein Platz mehr für seine Minderwertigkeitsgefühle, seine Versagensängste, seine Selbstverurteilung, seinen geistlichen Hochmut. Er fühlte sich befreit. Weil er Jesus in sich wusste, konnte er die eigenen Bilder, Wünsche und Vorstellungen loslassen, sein eigenes Ego wurde entmachtet, um Gottes Herrlichkeit heller strahlen zu lassen.

Cornelia Trick


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