Gottesdienst am 11.12.2011
Liebe Gemeinde, liebe Schwestern
und Brüder,
stellen Sie sich mal vor:
nach einer langen Autofahrt und einer kurzen Nacht in der Ferienwohnung
stehen Sie mit Ihren Skiern endlich an der Gondelbahn. Die Sonne scheint
strahlend vom Himmel, der Schnee soll oben perfekt sein, die Schlange vor
der Gondelbahn hält sich in Grenzen. Da kommt jemand auf Sie zu und
sagt Ihnen, dass Ihre Skibindung nicht in Ordnung ist, Sie mit ihm mitkommen
sollen, es könnte ein paar Stunden dauern, dann würde man die
Bindung ausgetauscht haben. Wären Sie erfreut über diesen Menschen,
der Ihre Pläne erstmal durchkreuzt? Später, da werden Sie erzählen,
dass dieser Mann Ihnen vielleicht das Leben gerettet hat, aber im Moment
ist er doch ein echter Störenfried.
So ähnlich durchkreuzt
Johannes der Täufer die heimelige Adventsvorfreude auf Weihnachten.
Der 3. Advent, die Mitte der Adventszeit, ist ihm gewidmet. Seine
rauen und mahnenden Worte tragen Wichtiges zur Adventszeit bei. Er will
uns beiseite nehmen und uns ehrliche Fragen zu stellen: Wo stehst du mit
deinem Leben? Wer ist Jesus Christus für dich? Auf wen oder was wartest
du? Wie bereitest du dich auf die Ankunft vor? Es bleibt uns nichts Anderes
übrig, als uns auf diese Fragen einzulassen, auch wenn wir jetzt viel
lieber gleich ins Weihnachtsfest stürzen würden. Erst im Nachhinein
werden wir wahrscheinlich erkennen, wie wichtig diese Zäsur war, wie
sie vielleicht auch unser Leben gerettet hat.
Ein Abschnitt aus dem
1 Petrusbrief kann uns helfen, unseren Standort und Weg zu bestimmen, genug
Proviant für unterwegs zu bekommen und uns Zuspruch und Trost schenken
zu lassen.
1.Petrus 5,5-11
Überhaupt müsst
ihr - das sage ich allen - im Umgang miteinander jede Überheblichkeit
ablegen. Ihr wisst doch: »Gott widersetzt sich den Überheblichen,
aber denen, die gering von sich denken, wendet er seine Liebe zu.«
Beugt euch also unter Gottes starke Hand, damit er euch erhöhen kann,
wenn die Zeit gekommen ist. Alle eure Sorgen werft auf ihn, denn er sorgt
für euch. Seid wachsam und nüchtern! Euer Feind, der Teufel,
schleicht um die Herde wie ein hungriger Löwe. Er wartet nur darauf,
dass er jemand von euch verschlingen kann. Leistet ihm Widerstand und haltet
unbeirrt am Glauben fest. Denkt daran, dass die Gemeinschaft eurer Brüder
und Schwestern in der ganzen Welt die gleichen Leiden durchzustehen hat.
Ihr müsst jetzt für eine kurze Zeit leiden. Aber Gott hat euch
in seiner großen Gnade dazu berufen, in Gemeinschaft mit Jesus Christus
für immer in seiner Herrlichkeit zu leben. Er wird euch Kraft geben,
so dass euer Glaube stark und fest bleibt und ihr nicht zu Fall kommt.
Ihm gehört die Macht für alle Zeiten. Amen!
Gott hat euch zur ewigen
Herrlichkeit berufen
Die Zielaussage des 1.Petrusbriefes
ist, dass Gott uns in seine Herrlichkeit berufen hat. Die Herrlichkeit
Gottes ist in unserer Gemeinde dieses Jahr der rote Faden der Adventszeit.
Sie umschreibt Gottes Majestät, seine Hoheit, seinen überwältigenden
Lichtglanz. Zu dieser Herrlichkeit hat Gott alle berufen, die Jesus Christus
vertrauen. Gott hat uns mit dem Ja zu Jesus Christus die Eintrittskarte
zu seiner Herrlichkeit in die Hand gedrückt. Zu jeder Zeit hat man
sich die Herrlichkeit Gottes in anderen Farben ausgemalt. Gottes Gegenwart,
die alles überstrahlt, ließ Glaubende besonders in Hungerzeiten
an reich gedeckte Büffets denken. In Kriegszeiten bedeutete die Herrlichkeit
Gottes Frieden. In Armut erwarteten Menschen Gottes Herrlichkeit als eine
Bleibe, vor der einen niemand mehr vertreiben konnte.
Wie können wir Gottes
Herrlichkeit heute verstehen? Für mich sind es Bilder der Bibel, die
ausdrücken, dass wir in Gottes Gegenwart und ganz auf ihn ausgerichtet
sind. Wir brauchen uns nicht mehr um uns selbst zu kümmern, nicht
mehr andere taxieren und messen, sondern sind ganz einig mit Gottes Willen,
sehen auf ihn und leben mit ihm. Wir sind frei von allem, was uns in unserem
Alltag belastet, den Zwängen, dies oder das zu tun, den Lebensmustern,
die uns vorgeben, was für uns dran ist, den selbst eingeredeten Zielen,
die wir doch nie erreichen werden. Wir sind angenommen in Gottes Stadt.
Wir können uns zu jedem setzen, ohne das Gefühl zu haben, unerwünscht
zu sein und zu stören.
Zur ewigen Herrlichkeit
sind wir berufen, herausgeliebt aus dieser Welt und auf den Kurs Richtung
Ewigkeit gebracht. Doch wir sind nicht allein berufen, sondern in die Gemeinschaft
mit Christen, in die Gemeinde. Die Gemeinde ist zuallererst Geschenk, so
wie sie ist. Gott hat sie zusammengerufen, Jesus ist in ihr leibhaftig
zu finden, er gibt den ganz verschiedenen Menschen den einigenden Geist.
Die Adventgemeinde muss sich nicht selbst erfinden und nicht ständig
daran arbeiten, als Gemeinde zusammen zu gehören. Sie ist Gemeinde,
weil Gott sie dazu zusammen gerufen hat.
Ihr seid auf dem Weg zur
Herrlichkeit
Vor zwei Gefahren warnt Petrus
die Adventgemeinde, vor interner Überheblichkeit und Verfolgung von
außen. Wenn in der Gemeinde Rangunterschiede bestehen, der eine sich
der anderen überlegen fühlt, sei es materiell, bildungsmäßig
oder in geistlicher Hinsicht, gerät Gottes Herrlichkeit aus dem Blick.
Man schaut nicht mehr auf ihn, sondern aufeinander. Man vergleicht und
beurteilt, wertet und sortiert, statt miteinander auf Gott zu hören
und seinen Willen umzusetzen. Es geht Petrus sicher nicht um Gleichmacherei,
sondern um die Einstellung. Denke ich, dass alle so sein sollten wie ich?
Meine ich, dass meine Erkenntnisse wertvoller sind als andere? Gebe ich
mir die Mühe, die Gaben anderer herauszulocken, zu schätzen und
zur Entfaltung kommen zu lassen? Oder will ich hauptsächlich meine
Gaben zum Einsatz bringen? Dass Petrus hier die Überheblichkeit so
deutlich thematisiert, ist sicher kein Zufall. Überheblichkeit hat
in der Adventsgemeinde keinen Platz, denn Gott ist der Herr, da braucht
es keine anderen Herren und Damen.
Ein Löwe brüllt,
um eine Viehherde in Panik zu versetzen, so dass sie auseinander läuft.
Die Tiere rennen durcheinander, reißen Zäune ein und eines wird
dem Löwe direkt ins Maul fallen. Petrus identifiziert Kaiser Domitian
mit einem brüllenden Löwen. Sein Wüten lässt die Christen
in Panik geraten, sie verlassen die schützende Gemeinde und rennen
direkt ins Verderben. Diese Situation ist auch heute in vielen Ländern
Realität. Christen bangen um ihr Leben, müssen sich verstecken
und im Untergrund verschwinden, sie dürfen keine christliche Literatur
erwerben und sind immer von Verrat und Gewalt bedroht. Doch ein brüllender
Löwe muss nicht nur Christenverfolgung bedeuten. Die Herde kann sich
auch ohne Löwen verlaufen, einzelne fallen heraus durch Trägheit,
Gleichgültigkeit oder die Annahme, dass Jesus sie schon wieder einsammeln
wird. Ja, Jesus ist der gute Hirte, der jedem und jeder nachgeht. Aber
bis er sie gefunden hat, können die Mächte der Welt ihr Spiel
treiben. Ist das erstrebenswert?
Petrus setzt den Gefahren
fünf Imperative entgegen:
-
Begebt euch unter die starke
Hand Gottes! Mich Gottes starker Hand anvertrauen kann ich besonders im
Gebet. Da kann ich meine Unfähigkeit zugeben, leer sein, um mich wieder
füllen zu lassen, von ihm alles erwarten. Schon meine Gebetshaltung
macht das deutlich, indem ich mich in seine Hand berge und ihm nicht selbstgerecht
gegenüber stehe.
-
Sorgt euch nicht! Da Gottes
Hand über und unter uns ist, können wir unsere Sorgen in diese
Hand Gottes werfen. Werfen ist ein aktives Tun. Wir lassen die Sorgen nicht
einfach irgendwo fallen, sondern wir entledigen uns bewusst. Ein Bekannter
erzählte mir von einem besonderen Ort in seiner Wohnung, wo ein Kreuz
hängt. Für jede Sorge legt er einen Stein vor dieses Kreuz. Ist
die Sorge gelöst, nimmt er den betreffenden Stein wieder weg. Das,
so sagt er, entlastet ihn, denn nun trägt er nicht mehr selbst die
Sorgen, sondern Jesus hat sie und kümmert sich darum. Ich schreibe
meine Sorgen in ein Tagebuch. Auch das ist ein Weg, um sie Jesus hinzuschieben.
Er teilt das Tagebuch mit mir. Bei manchen Sorgen brauchen wir den hörbaren
Zuspruch, dass Jesus die Sorgen abnimmt. Hier ist Fürbitte und Mittragen
gefragt, ein Bruder oder eine Schwester, die so nahe am Herzen ist, dass
wir ihr sogar das anvertrauen können, was nur für Jesu Ohren
bestimmt ist – damit sie es auch Jesus ans Herz legt.
-
Seid wachsam und nüchtern!
Besonders für die Löwen sollten wir wachsam und nüchtern
sein. Wer oder was bringt Unruhe in unsere Gemeinde? Was bedroht uns so,
dass wir in der Gefahr stehen auseinander zu laufen? Was schläfert
uns ein, und wo ist Aufbruch und Mut gefragt, um dem Löwen Widerstand
zu leisten? Ist der Gemeinde – und damit jedem und jeder – klar, warum
sie Gemeinde Jesu ist, was sie ausmacht und wofür sie heute da sein
will? Nur wenn sich Gemeinde von innen her ihres Auftrags gewiss ist, wird
sie auch zusammen bleiben und den Löwen entgegen treten können.
-
Haltet am Glauben fest! Was
so selbstverständlich wirkt, ist doch in der Praxis nicht so einfach.
Am Glauben festzuhalten, bedeutet, erwachsen zu glauben. In einer Untersuchung
von vielen Gemeinden in den USA wurde entdeckt, dass Christen, die schon
einige Jahre an Jesus Christus glauben und in ihrer Gemeinde leben, immer
weniger geistliches Leben praktizieren. Sie beten kaum noch, lesen selten
in der Bibel, und ihr Gottvertrauen ist geschwunden. Die Forschungsgruppe
fragte nach den Ursachen dieser Entwicklung. Erstaunliches kam zu Tage.
Diese langjährigen Christen verhalten sich wie neu Dazugekommene.
Sie erwarten, dass die Gemeinde ihnen das geistliche Leben serviert, ihr
Gebetsleben ankurbelt, ihr Gottvertrauen stärkt. Sie selbst nehmen
ihr geistliches Leben nicht in die Hand, sorgen nicht für sich, ergreifen
wenig Eigeninitiative. Der Imperativ des Petrus leitet uns an, für
unser geistliches Leben die Verantwortung zu übernehmen und selbst
Wege zu finden, wie Jesus immer mehr Raum im Leben bekommt. Das ist herausfordernd,
aber der einzige Weg, um auf dem Weg zur Herrlichkeit zu bleiben.
Gott gibt euch Kraft
Nun wird aber auch klar: Gott
ist weder Zuschauer noch Linienrichter, sondern mittendrin auf dem Spielfeld,
Seite an Seite mit uns. Er ist Bundesgenosse und machtvoller Helfer. Seine
Herrlichkeit leuchtet schon jetzt auf dem Spielfeld des Lebens. Im griechischen
Urtext wird diese Hilfe Gottes mit vier Zusagen beschrieben: Gott wird
euch
-
Aufrichten: Wenn wir uns unter
Gottes Hand bergen, dann nicht, um von ihm klein gemacht und zerdrückt
zu werden wie eine lästige Ameise, sondern damit er uns aufrichten
kann. Es ist kein Aufrichten in stolzer Selbstgefälligkeit, sondern
ein Aufrichten in der ganzen Abhängigkeit von Jesus. Sein Geist will
unseren Gang gerade machen.
-
Stärken: Wer von Sorgen
zerdrückt ist, hat keine Kraft mehr. Jesus will die Sorgen tragen,
damit wir stark werden, den Weg zur Herrlichkeit mit seiner Hilfe zu gehen.
Die Sorgen würden uns daran hindern. Der einzige Weg ist, sie Jesus
anzuvertrauen.
-
Kräftigen: Um Widerstand
gegen Löwen aller Art zu leisten, brauchen wir Kraft. Diese Kraft
ist Jesus. Mit ihm verbunden zu sein, lässt uns bereit werden, auch
gegen die Mächte dieser Welt den Kampf aufzunehmen.
-
Gründen: Gott verankert
unseren Glauben in Jesus. Damit sind wir an ihn fest gebunden. Deshalb
können wir auch am Glauben festhalten. Nicht weil unsere Hände
so stark sind, sondern weil Gott uns schon längst an Jesus festgebunden
hat. Er schafft immer die Voraussetzung für alle Imperative, die uns
mit auf den Weg gegeben werden.
Berufen sind wir zu Gottes
Herrlichkeit. Sie scheint schon jetzt in unserem Leben und unserer Gemeinde.
Wir können unser Angesicht auf ihn richten, müssen uns nicht
im gegenseitigen Konkurrenzkampf oder krank machenden Zersorgen kaputt
machen. Er schenkt uns Freiheit, aufeinander zu achten, einander in der
Fürbitte zu begleiten und mutig den Löwen den Kampf anzusagen.
Als Adventsgemeinde singen
wir die Herrlichkeit Gottes herbei: „Ihm gehört
die Macht für alle Zeiten. Amen!“
Cornelia
Trick
|