Am Feuer (Lukas 22,54-61)
Gottesdienst am 15.03.2015 in Brombach

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,
die letzten 24 Stunden im Leben Jesu waren Kampfstunden. Wir begleiten in dieser Passionszeit Jesus durch diese Stunden, beobachten die Jünger, merken, dass sich ihr Leben mit unserem verbindet. Zwar sind wir gerade in einer völlig anderen Situation als sie damals, aber können ihr Erleben als eine Art Rot-Kreuz-Kurs sehen, eine Trockenübung für den Ernstfall, die wir immer wieder auffrischen müssen.

Inzwischen wurde Jesus im Garten Getsemane, in dem er mit den Jüngern gebetet hatte, verhaftet. In aller Heimlichkeit hatte ihn Judas den Soldaten ausgeliefert, um ja keinen Volksaufstand zu riskieren. Petrus stellte sich den Soldaten in den Weg und getreu seiner Ankündigung, mit Jesus in den Tod zu gehen, schlug er einem Soldaten das Ohr ab. Jesus schritt ein, heilte das Ohr und wies Petrus in die Schranken. Seine Stunde war gekommen, dem musste er sich stellen.

Die Jünger flohen um ihr Leben. Sie folgten ihrem Instinkt, das nackte Leben zu retten, denn für Jesus konnten sie nichts mehr tun. Aber wie mit einem Scheinwerfer wird unsere Aufmerksamkeit auf einen Jünger gelenkt, Petrus.

Lukas 22,54-61

Sie ergriffen ihn aber und führten ihn ab und brachten ihn in das Haus des Hohenpriesters. Petrus aber folgte von ferne. Da zündeten sie ein Feuer an mitten im Hof und setzten sich zusammen; und Petrus setzte sich mitten unter sie. Da sah ihn eine Magd am Feuer sitzen und sah ihn genau an und sprach: Dieser war auch mit ihm. Er aber leugnete und sprach: Frau, ich kenne ihn nicht. Und nach einer kleinen Weile sah ihn ein anderer und sprach: Du bist auch einer von denen. Petrus aber sprach: Mensch, ich bin's nicht. Und nach einer Weile, etwa nach einer Stunde, bekräftigte es ein anderer und sprach: Wahrhaftig, dieser war auch mit ihm; denn er ist ein Galiläer. Petrus aber sprach: Mensch, ich weiß nicht, was du sagst. Und alsbald, während er noch redete, krähte der Hahn. Und der Herr wandte sich und sah Petrus an. Und Petrus gedachte an des Herrn Wort, wie er zu ihm gesagt hatte: Ehe heute der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und Petrus ging hinaus und weinte bitterlich.

Alle Jünger sind bei der Verhaftung geflohen, nur einer folgte im Abstand, Petrus. So berichtet es das Lukasevangelium. Wir spüren Petrus seine innere Zerrissenheit ab. Die Angst lässt ihn im Abstand bleiben, er schützt sich selbst. Doch kalt lässt ihn das Schicksal von Jesus nicht, er will es genauer wissen. Jesus wird in den Palast des Hohenpriesters Kaiphas gebracht. Er steht irgendwo in der Palastanlage, umringt von seinen Bewachern. Wie das Gebäude so wird auch der Hof des Palasts bevölkert sein, Gruppen von Leuten stehen herum. In der Mitte brennt ein Feuer, ein Anziehungspunkt im noch kalten März in Jerusalem. Petrus gesellt sich zu den Leuten am Feuer. Die Wärme zieht auch ihn an, und menschliche Nähe wird ihm in dieser Nacht guttun.

Da deutet eine Magd auf ihn: „Der war auch bei diesem Jesus!“ Eigentlich stand die Magd gesellschaftlich unter Petrus. Er hatte keinen Grund sich vor einer Frau, die als Dienstbotin arbeitete, zu fürchten. Aber hier wird er ganz klein vor ihr. Er fürchtet sich erkannt zu werden und schleudert ihr ein Nein entgegen. Die Szene wiederholt sich, erst deutet ein Mann auf ihn, dann identifiziert ihn ein anderer als Galiläer, wahrscheinlich erkennt er ihn an seiner Kleidung. Petrus leugnet zum zweiten und dritten Mal, dass er mit Jesus in Verbindung steht.

Doch er bleibt im Hof in der Nähe Jesu. Vielleicht wollte er das Feuer nicht verlassen, vielleicht suchte er menschliche Nähe, doch wahrscheinlicher war es Jesus, den er auch aus der Ferne nicht allein lassen wollte. Er versuchte, sich durchzulavieren, bei Jesus zu sein und nicht gefangen genommen zu werden. Da kräht der Hahn und ist wie ein Weckruf, der ihn an Jesu Worte erinnert. Bis jetzt war Petrus damit beschäftigt, sich selbst zu retten. Jetzt hört er wieder Jesu Worte: „Wer mir nachfolgt, muss sein Kreuz auf sich nehmen.“ 

Nur der Evangelist Lukas berichtet die nächste Szene. Jesus befindet sich in Sichtweite des Petrus und wartet wahrscheinlich auf seine Gerichtsverhandlung. Er ist gefesselt und wird streng bewacht.  Die einzige Freiheit, die ihm bleibt, ist, seinen Kopf zu drehen und seinen Blick zu steuern. Er kümmert sich nicht um sich selbst, sondern sucht Petrus mit seinen Augen und sieht ihn an. Wie sieht er ihn an? Streng, enttäuscht, resigniert?  Oder verständnisvoll, wie Eltern ihr kleines Kind ansehen, wenn es mal wieder ein Glas quer über den Tisch ausgegossen hat, die Tischdecke schwimmt, das Mittagessen jäh unterbrochen ist, aber die Eltern das Kind selbstverständlich nicht aus dem Haus jagen werden. 

Jesu Blick bewirkt einen Zusammenbruch. Petrus verlässt das Feuer und die wärmende menschliche Gemeinschaft und weint. 

Schauen wir uns die Szene mit unserem heutigen Blick an. Wir leben unseren Glauben ohne jede Bedrohung. Die Szene am Feuer ist für uns ein Rot-Kreuz-Kurs für Zeiten der Christenverfolgung. Der Ernstfall will trainiert sein. Petrus war später, nach Ostern und Pfingsten, als Missionar unterwegs. Er gründete Gemeinden und trat als Prediger auf. Sicher erzählte er selbst  von dieser Feuerprobe, andere Augenzeugen aus dem Jüngerkreis gab es ja nicht. Die Nacht war kein Ruhmesblatt für ihn, sondern eine Selbstoffenbarung seiner Schwäche, seines Kleinglaubens und seiner nackten Angst ums Überleben. Den jungen Christen in den ersten Gemeinden ging es ja ähnlich. Auch sie waren versucht, ihren Glauben nur versteckt zu leben. Sie mussten damit rechnen, um ihres Glaubens willen gemieden und geächtet zu werden. So ermutigte Petrus sie mit seiner eigenen Lebensgeschichte. Er sprach ihnen zu: „Ihr könnt versagen, Jesus verleugnen, aus Angst den Mund halten. Jesus wird euch ansehen mit seinem Blick, der euch deutlich macht, er liebt euch trotzdem. Umkehr ist möglich, ergreift die Chance und sprecht ein neues Ja zu Jesus.“ 

Petrus steht für die zweite Chance, für das Geschenk, dass es auch nach dem Scheitern einen Neuanfang gibt. Er sprach auch denen ins Herz, die selbst treue Bekenner waren und über die Wankelmütigen den Stab brachen. Er ermutigte sie, die Versager nicht rauszuwerfen, sondern ihnen auch nach dem Scheitern eine zweite Chance zu geben, wie Jesus es bei ihm getan hatte.

Wir werden zumindest in Deutschland – in Nordkorea sieht es anders aus - nicht festgenommen, wenn wir uns zu Jesus bekennen. Wir leben in wunderbaren Zeiten, in einem traumhaften Land für Christen. Wenn wir wie Petrus an solchem Feuer säßen und jemand sagte zu uns: „Du gehörst zu Jesus.“, dann wäre es an uns, darauf einzugehen. Nutzen wir diese Chance und erzählen von Jesus an den Feuern unseres Alltags? 

Letzten Monat erschien ein Artikel von Klaus Douglass, einem evangelischen Pfarrer, der sich viel mit Gemeinde in unserer Zeit beschäftigt, in unserer Kirchenzeitschrift Podium. Er strich in diesem Aufsatz heraus, dass die Kirche der Zukunft zwei Schwerpunkte haben sollte. 

  1. Jesus ist Mittelpunkt des persönlichen Lebens. Gebet begleitet uns durch den Alltag, ist lebendig und erhält Antwort. Wir tauschen uns über unsere Gotteserfahrungen aus, sammeln sie sozusagen in einem Korb, aus dem jeder sich bedienen kann, der gerade durch schwere Zeiten geht. Deine Gotteserfahrung wird dadurch zu meiner und stärkt mich in schwierigen Zeiten. Wir hören Jesu Aufträge, engagieren uns unseren Gaben gemäß und lassen seine Kraft in unsere Umgebung fließen.
  2. Wir werden sprachfähig, über unseren Glauben zu reden. Wir können in unseren Worten erzählen, warum wir an Jesus glauben, was uns an ihm beeindruckt, wo wir ihn ganz konkret im Alltag erleben. Wir können wie Petrus in den ersten Gemeinden davon berichten, wie wir selbst durch Zweifel und Glaubenskrisen gegangen sind und wie der „Blick Jesu“ uns getroffen hat. 
Bei einer christlichen Tagung sprach mich jemand darauf an: „Manchmal denke ich, vielleicht stimmt das mit Jesus gar nicht, alles nur ausgedacht, und ich laufe Jahre lang nur einem Phantom hinterher.“ Ihre Fragen waren so ehrlich, sie stand zu ihren Zweifeln, und auf dieser Grundlage hatten wir ein sehr gutes Gespräch. Aber sie forderte mich auch heraus, ich war sehr froh, mir auch selbst schon Gedanken zu ihren Themen gemacht zu haben. Wo üben wir, über unseren Glauben zu reden? Wo üben wir, auch über unsere Zweifel zu sprechen? Das ist wohl der erste Schritt, um sprachfähig für unsere Mitmenschen zu werden.

In der Bekenntnissituation können wir versagen wie Petrus. Unser eigenes Leben und unsere Anerkennung können uns wichtiger sein als Jesus. Hoffen wir auf Jesu Blick, der uns aufwachen lässt.

Die Verbindung zu Jesus hält, auch wo wir uns mutig vorwagen, das zeigen die Erfahrungen, die Petrus später machte. Da versuchte er nicht mehr, den Verhaftungen zu entkommen, sondern ließ sich gefangen nehmen. 

Die kleine Szene am Feuer kann auch ein Teil unserer Lebensgeschichte werden. Jesus holt uns zurück zu sich. Sein Blick ist der Anfang. Wir dürfen uns aktiv dazu verhalten – am Feuer uns zu ihm bekennen oder wieder neu umkehren zu ihm.

Cornelia Trick


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