|
Liebe Gemeinde,
Im Römerbrief, Kapitel 13, beschreibt der Apostel Paulus dieses Dazwischen, ganz in der Welt und doch immer im Bereitschaftsdienst, falls Jesus kommt. Die Stunde hat geschlagen! Wir werden im Advent 2015 wie von einem Wecker geweckt. Bis jetzt haben wir vielleicht geschlafen, uns unruhig hin und her gewälzt, werden von Alpträumen gequält. Jetzt aber klingelt der Wecker und reißt uns heraus. Die Rettung ist nahe, wir müssen uns nicht länger durch die Nacht quälen. Der Tag bricht an. Dieser anbrechende Tag ist ein Bild für die Ewigkeit, es wird hell sein, wir werden nicht mehr allein, sondern in der Gemeinschaft mit Gott leben, wir werden Heilung erfahren und Heimat finden. Alpträume der Nacht haben wir heute in mancher Hinsicht. Einzelne durchleben sie persönlich. Beziehungskonflikte, Geldsorgen, Kindersorgen und Sorgen um die älter werdenden Eltern, Arbeitsthemen, gesundheitliche Einschnitte und das eigene Alter sorgen für reichlich Stoff. Dazu kommen Krieg und Terror, Flüchtlingselend und Ohnmacht, diese verwirrende Weltlage zu befrieden. Der Wecker des Morgens signalisiert: Einer hält dich fest. Deine Sorgen sind nicht einfach weggewischt, denn Gottes neue Welt bricht erst an. Aber sie sind jetzt schon in Gottes Händen. Jesus ist an deiner Seite, um sie mit dir zu bewältigen. Er trägt sie längst ans Kreuz. Dieser Jesus, der jetzt schon bei dir ist, wird wiederkommen und dich daraus erlösen, endgültig. Deshalb steh jetzt auf und lebe so, wie Jesus es von dir erwartet: Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst. Das Bild, das Paulus vor unsere Augen malt, wirkt etwas schwarz-weiß. Die Nacht steht für Sorgen, aber auch für ein egoistisches, selbstzerstörerisches Leben auf Kosten anderer. Diese krasse Bildsprache beschreibt einen Abend in der damaligen Taverne. Zügelloses Saufen, Menschen, die die Kontrolle verloren haben und sich in Raufereien verstricken. In den Comics von Lucky Luke sind solche Nächte im Saloon oft sehr anschaulich beschrieben. Aus solchen Alpträumen können wir uns offenbar nicht selbst befreien, sondern werden immer wieder von ihnen eingeholt. Wir brauchen jemand, der uns wachrüttelt, den Wecker laut stellt. Der uns mit dem Licht des Tages lockt und uns aus der Finsternis der Taverne führt. Paulus spricht von „Waffen des Lichts“, mit denen wir für den neuen Tag ausgerüstet werden. Waffen des Lichts stehen bei ihm für Glaube, Hoffnung und Liebe, nicht für Kriegsgerät, das Alpträume fortsetzt. Adventsmenschen sind geweckte Menschen. Sie sind bereit, ihr Lebenshaus zu renovieren und es Jesus entsprechend zu streichen. Die Farben sind die Farben von Glaube, Hoffnung und Liebe. Glaube ist nötig, um an Jesus dranzubleiben und nicht wieder einzuschlafen. In einem Gespräch erzählte eine Frau, wie sie sich zurücksehnt nach der Zeit, als Jesus ganz neu in ihr Leben gekommen ist und sie mit seiner Hilfe so viel neu gestalten konnte. Sie berichtete davon, wie ihre Liebe zur Gewohnheit geworden ist, wie eigentlich nichts Neues mehr in ihrem Glaubensleben passiert. Wir kamen dann darauf, wie wichtig immer wieder besondere Inseln im Alltag sind, wo wir intensiver die Gemeinschaft mit Jesus leben können. Für sie war es ein besonderes Andachts-Buch, dass sie lesen wollte – eine Oase, wo sie ganz allein mit Jesus war. Für mich ist es das intensive Nachdenken über biblische Aussagen, ich zeichne Strichmännchen dazu, frage mich, was sie in meinem Leben bewirken, wo ich sie erlebe und anwenden kann. Für andere sind es Gottesbegegnungen in der Natur, im Garten. Und sicher gibt es auch einige, die ihre Liebe zu Jesus in der Gemeinschaft mit anderen Christen auffrischen können, im gemeinsamen Gebet und im einander Segnen. Der Advent bietet dafür eine gute Gelegenheit. Nehmen wir uns 24 leere Zettel als Gedankenstütze, jeden Tag eine Erfahrung festzuhalten, wo wir Jesus erlebt haben. Hoffnung ist das Gegenteil von Resignation, die seufzt: „Ich kann ja doch nichts ändern!“ Das stimmt ja oft, ich kann es nicht, aber Gott kann. Hoffnungsvoll öffne ich meine Hände und mein Herz und erwarte Gottes Gegenwart, seine Handschrift, sein Zeichen, sein Eingreifen. Ich gehe in den neuen Tag nicht verkrampft und gebückt, sondern aufrecht und erwartungsvoll. Die Liebe definiert Paulus klar als Nächstenliebe, die aus der Liebe zu Gott und der Annahme meines Ichs resultiert. Es ist eine Entscheidung gegen Tavernennächte, die aus einem gestörten Verhältnis zu Gott und sich selbst entspringen. Wo wir im Reinen mit Gott und uns selbst sind, müssen wir einander nicht verletzen. Wir müssen uns nach durchzechter Nacht nicht schämen und verstecken. Wir müssen nicht nach mehr gieren, als uns guttut und zusteht. Wir müssen uns nicht in Streit einmischen und aus Gefühlen der Ohnmacht gewalttätig werden. Stattdessen entscheiden wir uns für das Du. Das können wir offensichtlich nicht leicht aus uns selbst, sonst wäre das Thema nicht so betont. Die nächsten Wochen sind geprägt von dem Thema Nächstenliebe. Wir wollen anderen etwas Liebes tun, packen Geschenke, packen Plätzchen für die Tafel. Wie wäre es, wenn wir nicht nur unsere Listen „Wie du mir – so ich dir“ abarbeiten, sondern uns jemand zeigen lassen, dem wir unerwartet eine Freude machen können. Oder dem wir unser Ohr schenken. Auch wenn wir seine Probleme nicht lösen können, ihn nicht aus dem tosenden Meer seiner Themen retten können, einen Rettungsring Jesu können wir ihm zuwerfen und darauf vertrauen, dass Jesus ihn herausziehen wird. Wir können einem Menschen, der uns etwas angetan hat, vergeben, so, wie wenn wir das schmutzige Geschirr spülen und es für ein neues Gericht verwenden. Das Adventshaus können
wir streichen, weil Jesus und obwohl Jesus wiederkommt. Advent ist keine
Flucht in eine andere Welt, sondern eine Lebenshilfe in dieser Welt mit
all ihren Ecken und Kanten. Lassen wir uns wecken aus Angst, Resignation
und Lieblosigkeit. Das Licht Jesu, sein Heiliger Geist, gibt uns Kraft,
um dem Tavernenleben abzusagen. Jesus ist schon jetzt mit uns unterwegs,
korrigiert uns, wenn die Nacht uns überwältigt, ermutigt uns
zu neuen Schritten auf den Nächsten zu, tröstet uns in Enttäuschungen
und Versagen und gibt uns den Pinsel in die Hand, wenn wir nicht mehr renovieren
wollen und aufgeben.
Cornelia
Trick
|